Da war doch was...was ich noch zeigen wollte

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Donnerstag, 30. Januar 2014

Herzensangelegenheit




Letzten Sonntag war ein ganz besonderer Tag für Indien: am 26 Januar 1950  wurde Indien zur Republik erklärt, und somit offiziell unabhängig von den Briten. Also erst einmal: Happy Republic day! Aber auch für mich war es ein ganz besonderer Tag- ich habe eine Menge über das Leben hier gelernt und mal wieder vor Augen geführt bekommen warum ich hier bin.

Anstatt die Feier zum Republik Tag in unserer Schule mit zu erleben (ja, für diesen besonderen Anlass mussten die Schüler sogar am Sonntag für eine Stunde zur Schule), entschied ich mich die Einladung eines Vaters  anzunehmen und mit ihm zur Sonntags-messe in ein Dorf zu fahren.
Nach einem schnellen Frühstück wurde ich im Morgengrauen um 6 Uhr von einem Jeep angeholt, voll besetzt mit Vatern Joseph, drei Brüdern (in der Mitte ihrer Ausbildung zum Geistlichen und immer noch vollends überzeugt!) und vier Paletten Eiern für ein Hostel, das in dem Dorf von einer Schwester geleitet wird.
Warum die Eier die 70 km zum Dorf transportieren anstatt von den Farmern vor Ort kaufen und sie damit zu unterstützen, wollte ich wissen. „Wir drücken den Villagers nicht so gern Geld in die Hand, die können damit nicht so gut umgehen und außerdem sind die Eier aus eignender Produktion“, wurde mir beantwortet und bevor ich weiter nachfragen konnte, musste ich auch schon  die (immer wieder) atemberaubende Natur anschauen, die am Fenster vorbei flog. Schon mehrmals war ich mit dem Direktor der Schule am Sonntag in ein kleines Dorf gefahren um Messe zu halten (siehe: Mitten unter uns) und jedes Mal war es ein ganz besonderes Gefühl. Wenn ich sage dass Jagdalpur (was eine der grüßten Städte hier im Bundesstaat Chhattisgarh ist) eine ganz andere Welt als unsere deutschen/europäischen Städte ist, dann landet man, fährt man vielleicht 20 km raus aus der Stadt, über huckeligen Sandwege, vorbei an Reisfeldern, Palmen, Wasserbüffeln, einigen öffentlichen Brunnen am Straßenrand, auf den Bus wartenden Frauen in bunten Saries, in einem anderen Universum! Ich nehme jede Gelegenheit wahr um raus aus der Stadt in das (wirklich!!) ländliche Indien mit seinen Dorflern zu kommen. Wie Mahat Ma Gandhi einst sagte: „The heart of India is in his villages“, und auch mein Herz schlägt jedes mal schneller vor Glück dieses ursprüngliches, einfaches Leben zu sehen. Mensch pur! Aber auch extremer Armut, Unterernährung, schlachte Infrastruktur, Analphabetismus, wenige machtlose Schulen, fehlendes Interesse an Bildung, tatenlose staatliche Krankenhäuser, Wassermangel in der Sommerzeit, Arbeitslosigkeit und Unterbeschäftigung der Farmer nach der Reisernte im November.
Und doch gibt es immer Hoffnungstropfen, Menschen die was ändern, was aufbauen, wie die geistlichen Väter und Schwestern der Carmelites of Mary Immaculate (CMI) Wie die Schule in Jagdalpur gibt es in ganz Indien Schulprojekte, Hostels für Schulkinder, Kindergärten, Farms, Krankenhäuser, kleine Gemeinden, Ashrams, Ausbildungsstätten und Einrichtungen für Behinderte und mental Verwirrten, geleitet von der größten und ersten Congretation der katholischen Kirche in Indien mit dem Ursprung in Kerala, Südindien. Finanziert werden diese Projekte von Spendengeldern, Unterstützern und den Lohnen der CMI Väter die in anderen Ländern arbeiten.
Zu solch einer kleinen Dorfschule, mit 40 Schülern unterteilt in zwei Klassen und angeschlossenem Hostel für 14 Schüler waren wir unterwegs, aber erst einmal mussten wir dafür das Universum ändern. Circa zwei Stunden ging es mit dem Jeep auf erst gepflasterten ‚Highways’ und später nur noch auf Sandpisten durch den Dschungel, vorbei an trockenen Reisfeldern, riesigen Steinplatos, kleinen Bächen (die aber zur Regenzeit zu reißenden Flüssen werden!) dichtem Wald und grünen Lichtungen. Auf und ab, kräftig durchgerüttelt bis plötzlich Vater Joseph vor einem steilen Abstieg meinte:“ Schau hier zwischen den Bäumen den Abhang hinunter, wie in der Bibel beschrieben als das heilige Land weit unten vor den Füßen der Suchenden lag. Zwischen den Bäumen hindurch erblickte ich weiteres faches, dürres, gelb gefärbtes Land und mittendrin einige Hütten die wohl unser Ziel darstellen sollten.

einzigartige Landschaft Bastars

Nach kurzer Zeit parkten wir den Jeep am Wegrand neben einem Zaun aus Holzstöcken und einigen kleinen, schiefen Lehmhütten, vor uns: rote Erde, bewaldete Berge im Hintergrund, Sonnenschein, gelbe Stoppelfelder und einige grüne Palmen die die Helligkeit unterbrechen. Mittendrin steht ein kleines gemauertes Haus mit einem Vorplatz voll blau-uniformierten Kindern. Die dunkelblaue kurze Hose/oder Rock und ein hellblauer Hemd zeigen eigentlich die Dazugehörigkeit einer staatlichen Schule (zu finden in ganz Indien), aber wie mir die Schwester in gebrochenem English erklärte gibt es wohl Connections zu einigen Lehrern einer staatlichen Schule die die Uniformen günstig zur Verfügung stellen. Vielleicht 40 Schülerinnen und Schüler zwischen 4 und 14 Jahren stehen nach Geschlecht und Größe geordnet in ordentlichen Reihen vor einem geschmückten Fahnenmast und warten auf die Ankunft der Ehrengäste (und) um mit dem traditionellen Fahnen-hissen am Republik Day beginnen zu können. Einige Eltern, überwiegend Väter (Frauen sind bei so offiziellen Zeremonien nicht üblich, erklärt mir Vater Joseph) sitzen auf Plastikstühlen oder hockend auf dem nackten Boden.
Sobald sich alle begrüßt und vorgestellt hatten und wir uns auf die vorbereiteten Stühle gesetzt hatten, fing auch schon das Programm an: Vater Joseph hisste die Nationalflagge oben am verkleideten  Bambus-mast und zündete eine Öl-licht an, die Nationalhymne wurde angestimmt, eine Show die stark an das morgendliche Sportprogramm erinnerte , kleine Reden seitens des Vaters und der Lehrerin, , in dieser Zeit zogen sich die Schüler im Gebäude unter lautem Gerede und Gelächter um, es folgten Tänze, Lieder und Gedichte. Das alles war zwar ein bisschen improviesiert- aber gerade diese einfache Ehrlichkeit machte diese ganz besondere ‚Tag der Republik- Feier’ so einzigartig! Danach bekam jeder ein Stückchen Zeitung und es würde an alle aus einem großen Metallbehälter Essen (indische Snacks wie Chips aus Reismehl, gemischt mit Nüssen, Zuckerrohr-masse und anderem) verteilt. Die Väter genossen, die Kleinen saßen auf Bastteppichen auf dem Boden und verschütteten die Hälfte, größere Schüler halfen ihnen und teilten die Reste.
Nach den Essen gingen die Meisten Schüler nach und nach an den Händen der Väter nach Hause, es wurde aufgeräumt, ich besichtigte die Räume und ließ mir alles ganz genau erklären und Vater Joseph bereitete die messe vor, die nun für die wenigen christlichen Familien im zwei-in-ein- Klassen- und Kirchraum gehalten wurde.
Der Boden: ausgelegt mir Plastik-plane und Strohmatten
die Wände: weiß-gestrichener Rohbau mit einigen Lernplakaten und einem schlichtem Holzkreuz
das Mobiliar: gesessen wird auf dem Boden, als Altar dient ein alter Metall-tisch mit gemusterten Tüchern, und ein Metallschrank für  Lehrmaterial


eine ganz besondere Performance zum Republic day



Schalf- und Speiseraum der 14 Hostelkinder,
abends werden dünne Matten zum schlafen ausgerollt
-kannst du dir vorstellen all dein Eigentum in einem kleinen Truhe zu haben

…und schon fing die heilige Messe an. Die Frauen in ihren schönsten Saris saßen mit verhüllten Köpfen auf der einen Seite des Raumes, die Männer auf der anderen. Da die Messe auf Hindi gehalten wurde konnte ich leider nicht allzu viel verstehen, aber trotz alle dem (oder gerade deswegen) ist die Stimmung auch voll auf mich übergesprungen: es war eine sehr lange Messe (fast 2 einhalb Stunden), es wurde viel gesungen, laut gebetet, und zur Kollekte wurden vorne zwei Metallschalen aufgestellt, eine für das Kleingeld, eine andere für Reis und Gemüse, welches die Leute frisch aus ihrem Feldern vor den Altar brachten und  einige Männer trommelten im hinteren teil des Raumes. Und wieder wurde es wahr was ich schon das erste Mal bei einer Messe im Dorf erlebt habe:“ Wenn zwei oder der im meinem Namen versammelt bin, da bin ich mitten unter euch.“
Nach einer schnellen aber sehr herzlichen Verabschiedung ging es auch schon schnell weiter, da war schließlich noch eine zweite Gemeinde die auf uns wartete. Und wieder führte und der Weg durch den Urwald, bergauf, bergab, vorbei an kleine Dörfern und öffentlichen Brunnen, einigen staatlichen Einraum-Schulen, immer begleitet von Geklapper, indische Handymusik und der roten Erde und Staub um uns herum.

Vater Joseph betet mit einem Farmer

...und viel zu schnell mussten wir uns auch schon wieder verabschieden

Die Einwohner des zweiten Dorfes gehöre zu dem Stamm der Gonds und sprechen die lokale Sprache Bhatri. Diese Ethnie gehört zu den Adivasis, den Ureinwohnern Indiens. In Nachbarbundesstaat Madhya Pradesh und hier, in einem kleinen Gebiet Bastar, Chhattisgarh zusammen leben etwa 4 (oder 9, da gibt es unterschiedliche Angaben und auch Definitionen)Millionen Gonds. s.a.http://en.wikipedia.org/wiki/Gondi_people)
Wie ein Bruder mir erklärte kam vor ca. 6 Jahren ein protestantischer Pfarrer in das Dorf und verbreitete den christlichen Glauben. Nach einem Jahr aber verließ er die Region (aus unbekannten Gründen) und einige (nun christliche) Dorfbewohner kamen nach Jagdalpur um vor dem Bischof um Hilfe und einer Weiterführung des christlichen Glaubens zu bitten. Seit zwei Jahren ist es nun Vater Joseph Aufgabe den vielleicht 35 bis 45 christlichen Frauen und Männern (es werden immer mehr und mehr und besonders zur Reisernte müssen die Farmen die Zeit auf ihren Feldern nutzen und können nicht zur Messe kommen) die Kommunion zu geben und ihnen das Christentum näher zu bringen. “Am Anfang gab es schon Probleme mit einigen Dörfälteren und den Dorfleadern: einige Familien sind katholisch, die restlichen Gonds haben ihre eigene Wald-Religion mit Göttern, manchmal sind auch nur Teile der Familie katholisch- natürlich kann das schon mal zu Konflikten führen, aber als sie erkannt haben, dass wir nichts böses wollen und auch keinen überzeugen, sondern warten bis sie zu uns kommen haben sich die Probleme gelegt.“ erklärte mir Vater Joseph Und es stimmt schon, wenn die Familien zum Christentum konvergieren verlieren sie einen Teil ihrer jahrhunderte-alten Wurzeln, deshalb bin ich bei dem Wort ‚missionieren’ auch gerne etwas vorsichtig. Auf der anderen Seite leistet die Kirchen wunderbare Arbeit: Schulen und Hostels werden kostenfrei zur Verfügung gestellt in Gebieten wo die staatlichen Schule rar und schlecht sind, Lehrer bezahlt und es wird für die Kinder gekocht. Auch in dem Dorf (was wir besuchten) lebt eine Schwester (sie sieht allerdings mehr selber wie eine Dörflerin aus) die eine kleine Krankenstation mit zwei Zimmern führt und sich um die Kranken und Schwachen kümmert. Aus Jagdalpur brachten wir Medikamente für eine Frau mit, die Schmerzen in den Beinen hat.
Religion ist für die Menschen hier in Indien sehr wichtig, dabei spielt es keine Rolle ob Christen, Muslime, Hindus oder Sikhs. Die Hoffnung und Kraft der Menschen liegt in Gott (oder Göttern) und es ist einzigartig mit zu erleben und berührt mich sehr tief die Frauen, Männer und Kinder beten zu sehen!
Aber unabhängig von einem allgemein tiefen Glauben ist es eine ganz andere Sache wenn ein geistlicher jeden Sonntag 5 Stunden mit einem Jeep durch den Dschungel fährt um diese Menschen im Gauben zu unterstützen, sie zu stärken und für die zu beten. Und genau das wurde dann gemacht:

Adivasi-mädchen mit ihrem kleinen Bruder auf dem Arm

schon einmal war ich kurz zu Besuch in dem Dorf:
zur Begrüßung wurden traditionell Tänze gezeigt...
(auch ich habe schon einmal getanzt)

...und in den typischen Masken mit Buffalo-hörnern getrommelt



Als wir ankamen wurde schon seit einer halben Stunde Rosenkranz gebetet. Zwar besaß keiner einen Rosenkranz, aber die Gebete wurden laut gemurmelt und wir setzten uns erst einmal kurz draußen vor der Hütte (die als Kirche, Schlafzimmer der Schwester und auch Gemeinderaum gilt) um uns bei einem Tee ein wenig von der langen und anstrengenden Fahrt zu erholen. Auf dem Weg hatten auch einige Leute von den Sandwegen aufgesammelt die auf dem Weg zum Gottesdienst waren und von  kleinen Dörfern weiter entfährt kamen, einige laufen schon früh am morgen los um die bis zu 20 km bis zu diesem Dorf zu laufen. Wenn man das hört klingt das wie in eine Georeportage über ein unerforschtes Dorf im südamerikanischen Regenwald- aber das alles ist hier, vor meiner Nase, ich kann die Menschen lachen hören und ihnen „Jaya so“ wünschen, was so viel heißt wie „Gott sei mir dir“. Und immer wieder konnten wir Frauen und Männer ankommen sehen, viele hatten (hier sehr typisch) besondere Plastiktragetaschen mit, die sie vor der Hütte in die Bäume hangen, wenige mit verrosteten Fahrrädern, viele Frauen mit Säuglingen und Kleinkindern vor dem Bauch gebunden oder auf der Hüfte.
Nach einiger Zeit Verschnaufpause, Hände-geschüttelt und „Jaya so“-gewünscht betraten auch wir die Hütte und ich setzte mich auf den letzten freien Platz auf dem Boden. Vor den Altar (wieder nur ein alter Tisch mit weißen und bunten Decken) wurde ein goldener Teller mit Blütenblättern und einigen Räucherstäbchen gestellt- die während der gesamten Zeit ganze drei Mal erneuert wurden!) Ein Mann fing am auf einer hölzernen Trommel zu spielen, ein anderer schlug zwei kleine Metallscheiben zusammen und ein Dritter hatte zwei Rasseln in der Hand. Wieder saßen die  Frauen getrennt von den Männern und die Kinder sammelten sich vorne um den ‚Altar’ herum, aber nun begannen alle zusammen zu klatschen und Lieder an zu stimmen. Zwar konnte ich den Text nicht verstehen und es war auch ziemlich schwierig darum für mich mit zu singen, aber ich konnte auch im Takt klatschen und mich richtig fühlen. Vater Joseph hielt die Messe, las aus einer dicken Bibel, hielt die Predigt, manchmal las einer der Brüder oder die Schwester einige Texte und immer wurde alles von einem Mann aus dem Dorf (der auch Hindi spricht und somit die Worte verstand) übersetzt. Zwischen den Liedern kam Vater Joseph vor den Altar und jeder der wollte konnte sich vorne hin knien, Vater Joseph legte ihm die Hände auf den Kopf und betete für ihn. Erst kamen die Frauen und Kinder, später kamen auch die Männer nach vorne und ließen für sich beten. Und für jeden nahm sich Vater Joseph Zeit, 6 Jährige Mädchen genau wie humpelnde alte Männer und Frauen mit ihren Babys auf den Armen. Jedem gab er das Gefühl wichtig zu sein, seine Sorgen ernst zu nehmen und ganz persönlich für ihn da zu sein- das Christentum mit einem Gott der seine Schützende und behütende Hand über jeden einzelnen hält (natürlich nur symbolisch). Mich hat diese Ruhe und Geduld ziemlich fasziniert, und es wurde auf den letzten kleinen Jungen gewartet, der zögernd und schüchtern zu ihm kam. Allein diese Aktion hat etwa eine Stunde gedauert, danach wurde wieder gesungen, laut gebetet (das ist der Teil der Messe in Deutschland, wo alle stumm bleiben und sich nicht trauen laut ihre Sorgen und Wünsche auszusprechen) und natürlich auch die Gabenbereitung gehalten. Dabei dürfen nur die Leute nach vorne kommen die getauft sind, und das waren nicht besonders viele weil man erst zwei Jahre lang zur Messen kommen soll und sich im Gauben wirklich sicher zu sein und ihn verstehen zu lernen, wie mir der Bruder zu meine erstaunen erklärte).

mit erhobenen Händen und lautem Stimmengewirr wird Gott gerufen

Vater Joshep ließt die Messe

ein Mädchen vor dem Altar- ohne Worte

und ich habe erkannt: die Menschen brauchen Gott!

Nach der eigentlichen Messe, die noch mal mit einem besonders lautem und fröhlichem Song beendet wurde, erzählte der Vater noch einige Neuigkeiten aus Jagdalpur und Nachrichten aus Indien. Neben dem Glauben dient dieser Besuch nämlich sozusagen auch noch als lebendige Zeitung. In Gondi gibt es keine Zeitung und auch ist diese Sprach eher eine gesprochenen nur mit Konsonanten wurde mir erklärt und nach Jagdalpur oder eine andere Stadt kommen die Leute nur für den Markt (wenn überhaupt) und der Dorfleader ca. 4 bis 6 mal im Jahr um sich mit anderen Stammchefs und Leuten von der Regierung zu treffen und Probleme, Besonderheiten und Neuheiten zu besprechen. Außerdem würde die Kollekte der heutigen Messe gezählt, säuberlich in ein Buch eingetragen und auch laut bekannt gemacht: es kamen ungefähr 160 Rupes zusammen (soweit ich das mit meinen Hindi-Kenntnissen verstehen konnte), das sind etwas über 2 Euro und anderthalb Schüsseln voll Reis- es wurde gejubelt und geklatscht.
Daran erkennt man erst einmal den wert, den Geld hier noch hat, jeder hat soviel gegeben wie er kann, auch wenn es nur 2 Rupes waren und eine Tasse voller Reis und für dieses Geld kann man schon einen neuen Teppich zum schlafen kaufen, die Schwester hat genügend Reis für mehrere Wochen, es gibt Verbände und wichtige Medikamente für die Kranken, die Schüler bekommen neue Heft und Bleistifte- und das alles nur wegen wenigen Euros!
Es ist  unendlich traurig, dass das Geld nicht mal für diese essentiellen Dinge reicht, aber auch wunderbar und das beste Zeichen für Menschlichkeit, das alle zusammenhalten, die Farmer ihren wertvollen Reis der Schwester zum Dank geben, die Schulkindern ihr Essen mit den kleineren Kameraden teilen, die ihres verschüttet haben, Gottes Worte extra übersetzt werden, sodass alle sie verstehen können, die Menschen sich über so viele Kleinigkeiten freuen oder mich einfach anlachen!!
Das Leben hier ist so besonders, so ganz anders als alles gewohntes, so weit weg wie in einer Fernsehenreportage, so einfach, so ärmlich, einfach unvorstellbar- und doch lachen mich die alten Frauen mich mit ihren wenigen schiefen Zähnen an, schütteln mir stolz die Hand, erzählen mir aufgeregt auf Gondi- sind Menschen wie du und ich und haben ein so anders Leben, werden nie die Möglichkeiten haben ,die wir jeden Tag ungeachtet vorbeiziehen lassen, werden sich nie Gedanken über Urlaubsziele und Billigflüge machen, nie in einen Zirkus gehen, Shakespeare lesen oder das Meer sehen. Ich habe das große Geschenk (oder auch die Qual der Wahl) mir einen Studienfach aus zu suchen, meinen Wohnort selber wählen zu können, Chinesisch zu essen wenn mir danach ist und auf die andere Seite der Welt zu Reisen weil ich sie so besser zu verstehen erhoffe- und die Kinder freuen sich über ein Jojo, neue Radiergummis oder ein paar neue Flip-flops.
Das Leben das immer so weit weg war, in exotischen Geschichten wie dem Dschungelbuch oder hinter dicken Fernesehengeräten ist nun um mich herum, ich bin mitten drin und für eine  kurzen Moment Gast in diesem Leben. Und was kann ich machen?- Lächeln, nickend den Erzählungen zustimme, wenn mir jemand aus seinem Leben erzählt und versuchen ihr Leben ein bisschen einfacher zu machen, indem ich sie finanziell unterstütze. Jeder Euro, den ich noch in Deutschland gedankenlos für ein Erdbeereis oder neu Ohrringe ausgegeben habe bekommt hier einen ganz neuen Wert, wird zu einem Faktor, der den Tag zu einem Guten oder einem Schrecklichen machen kann, wenn die Farmerin auf dem Wochenmarkt ihre drei Möhren und einige Köpfe Rosenkopf nicht verkaufen kann.
Und nun kommt meine Herzensangelegenheit zur Sprache: Ich würde gerne Geld sammeln, ich möchte diese Spenden (und seien es 5 Euro) direkt und unverzüglich den Vätern geben, die genau wissen welches Projekt dringend eine Finanzspritze braucht. Sei es Medizin für die kleine Krankenstation, Schulhefte für die Schüler oder das Dach einer neuen Schule, die gerade in einem Nachbardorf gebaut wird. Ich möchte den Menschen wirklich einen Grund zum Jubeln und Applaudieren haben! Ich möchte zeigen, dass die fremde Weiße nicht nur zum anschauen, Fotos machen und verständnisvoll Lächeln kommt! Ich möchte den Menschen eine Sorge nehmen, denn davon haben sie schon genügend! Und ich möchte danke sagen, danke, dass sie mich an ihrem Leben teilhaben lassen, mir einen Einblick in ihrer Welt geben, mich willkommen heißen und mitnehmen, danke dass sie mich zum denken anregen, zum reflektieren und vielleicht am Ende auch zum Ändern, ich möchte für jedes einzelne Lächeln danken, seien die Zähne auch noch so gelb- und diesen Dank kann ich am besten (das habe ich erkannt, als ich die zerrissenen und viel zu großen Kleider und die Freude über die 160 Rupes gesehen habe) durch finanzielle Hilfe ausdrücken!
Eine Herzensangelegenheit an euch da drüben in Deutschland, den ich immer versuche mit Fotos und Erzählungen das (mein) Leben hier näher zu bringen, begreiflich zu machen (obwohl ich es selben gar nicht begreifen kann) und ein Stückchen Indien zu schenken, weil es vielleicht das größte und unglaublichste Geschenke ist, das ich je bekommen habe!

Ich habe ein Visakonto, von dem ich das Geld direkt und ohne Gebühren hier in Indien abheben (oder überweisen) kann und direkt und an katholische diocese of Jagdalpur/CMI Distrikt Jagdalpur weiterleiten werde.

Bank:Deutsche Kreditbank AG
BLZ:120 300 00
Kontonummer:101 930 2148
Kontoinhaber: Rebecca Bäumer
Verwendungszweck: Herzensangelegenheit

Fragen, Anregungen oder allem Anderem schreibt mir doch bitte per E-Mail an: rebeccabaeumer@gmx.de


Das Ende der Geschichte?
Nach dem Gottesdienst sind wir alle rausgeströmt und haben uns auf dem Vorplatz gereckt und gestreckt. Wieder wurden Hänge geschüttelt und auch einige Erinnerungsfotos gemacht. Danach gab es Reis Dahl und Gemüse für den Vater, die Brüder und auch mich. Ich war ziemlich dankbar und verschlag das gut gewürzte (!!) Essen mit Genuss, schließlich war es schon fast drei Uhr und außer einigen Chapatis (Fladenbrote) und den Snacks in der Schule hatten wir alle noch nichts gegessen. Es wurde noch ein bisschen geredet, erklärt, übersetzt, einige organisatorische Angelegenheiten mit dem hindi-sprechendem Mann besprochen (der eine echt wichtige Rolle als Vermittler zwischen Dörflern und Vater Joseph hat) und schon ging es auch schon wieder zurück Richtung Jagdalpur (die ersten 10 km nahmen wir zusammengepfercht im Jeep noch 5 Frauen mit, die zurück in ihr Dorf mussten), zwei weitere Stunden durchgeschüttelt im Jeep, durch vertrocknete Felder, Wälder, vorbei an Männer mit langen Holzscheiten auf den Schultern, Schulkindern in blauen Schuluniformen, die von ihrer Schulfeier zurückliefen, und herrenlosen Kühen, immer im Hintergrund das atemberaubende Panorama der in der Ferne verschwindenden bewaldeten Berge.
Ich hatte ein wenig Zeit den Tag noch einmal rewue passieren zu lassen, über Erlebtes, Gesehenes und Gelerntes nach zu denken, begreifen zu versuchen und für dieses wundervolle Geschenk zu danken.

"Fotoshooting!"

mit Händen und Füßen mit einer Gondi- Frau geredet
- am Ende wurde ich für eine Woche sogar in ihre Hütte eingeladen :)


Adivasi- Frau- so anders und doch so vertraut!



Das waren Herzensangelegenheiten und Erfahrungen über einen ganz un)gewöhnlichem Sonntag in einem Land, von dem ich manchmal nicht weiß ob ich weinen oder lachen soll.

Namaste, liebe Grüße und danke fürs Zuhören
Euer Rebecca




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