Meine erste große Reise in Indien ging am 16. dieses Monats in die Berge. Zusammen mit 60 Schülern und einigen Lehrern war es zwar 'nur' eine Educational Tour, aber dazulernen will ich schließlich immer!
Schon früh trafen wir uns im indischen Morgennebel an der
Busbahnhof um die Tagestour nach Raipur anzutreten, von dort unser Zug am Abend
abfahren sollte. Aber wer sich einfach eine gemütlich Bustour vorstellt- nichts
da. Zwar wurde das Gepäck nicht aufs Dach geschnallt (Gott sei dank), aber
indisch ging es schon zu. Wir quetschten uns n die zwei bestellten Busse und es
war überraschend gemütlich. Den huckeligen und wackelige Weg auf der
Hauptstraße vorbei an endlichen kleineren und größeren Dörfern und natürlich
wieder einer Menge Wald, verbrachte ich halb liegend, halb sitzend abgefedert
von gemütlichen Matratzen, die in zwei Etagen an einer Seite des Busses
genügend Platz zum chillen, spielen, spaßen, singen und schlafen boten.
Die
meiste Zeit bei Reisen innerhalb Indien, musste ich jedoch bald feststellen,
kann man am besten durch ’aus dem Fenster schauen’ und schlummern verbringen-
lesen oder richtig unterhalten dank des ewigen Gewackels und der Lautstärke
dank der ewigen offenen Tür einfach unmöglich! Mittagessen wurde dank hervorragender
Organisation in einem sehr westlichen Ressort (welches nicht das einzige
bleiben sollte) eingenommen, dass man u. a. auch für Hochzeiten und andere
Partys mieten kann.
Tag 1 und mit bester Laune ins Abenteuer |
immer wieder faszinierend: Dschungel soweit das Auge sieht |
Am späten Nachmittag änderte sich die Aussicht und wir
erreichten den Bahnhof der Staatshauptstadt Raipur. Mit vollen Straßen,
Obstverkäufter, riesige Werbeschilder, Hotels und wunderschönem Wetter wurden
wir empfangen und sofort ins Bahnhofsgebäude geleitet.
Und wieder wurden die Unterschiede in der Indischen
Bevölkerung deutlich: Geschäftsmänner mit gebügelten, frischen Anzügen und
Aktentaschen neben gestressten Müttern mit ungewaschenen Kleinkindern an der
einen und einem notdürftig geflicktem Beutel mit Notwendigkeiten in der Anderen.
Männer schoben Karren voller Obst und überall auf dem Boden boten Verkäufer
Kofferschlösser und Schlösser mit langen Ketten an (wessen Bedeutung mir später
noch bewusst wurde). Überraschenderweise war der Bahnhof sehr sauber und in dem
Schlafraum alias Aufenthaltsraum (hieß aber wirklich sleep- room) schliefen
eingepackt in bunte Tücher groß und klein neben ihren Bergen von Koffern,
Metallkisten, Stofftaschen, Säcken und einfach zusammen geknoteten Tüchern.
Wir füllten unsere Wasserflaschen an einen der vielen
öffentlichen Trinkwasserhähnen auf, schwitzten und passen darauf auf, dass kein
Schüler im Trubel der ein- und ausfahrenden Züge verloren geht.
Aus dem Bus ins Städtegetrubel, Raipur |
Farbenfroher Tempel direkt neben dem Bahnhof |
Wir warten in der Hitze auf unseren Zug, der uns in die kühlen Berge bringen soll |
Als der Chattisgarh Express Nr. 18237 (sogar nahezu pünktlich) schließlich einfuhrt und wir alle, zusammen mir endlichen anderen Passagieren eingestiegen waren, konnte ich die erste dreiviertel Stunde erstmal nur, mit meinem Tramperrucksack auf dem Rücken, eingequetscht zwischen Koffern, aufgeregten Schülern – die aber auf der Stelle neben ihren besten Freunden sitzen wollten- und alten Männern im Turban auf den schmalen, harten Bänken sitzen und abwarten bis sich der Trubel gelegt hatte. Nach und nach fanden alle Schüler den gewünschten Sitzplatz (wir waren über 5 verschiedene Wagons verteilt, was das ganze nicht gerade einfacher machte) und auch wir Lehrer konnten uns langsam entspannen und ich mich in Ruhe umsehen.
Die Wagons waren unterteilt in vielleicht 6 Abteile, wobei
in jedem Abteil 8 Mann schlafen konnten. Parallel des schmalen Ganges gab es
neben den vergitterten Fenstern zwei Schlaf-liegen übereinander, auf der
breiteren Seite bildeten die unteren beiden Liegen ein gemütliches 6er Abteil
für tagsüber, in der Nacht wurden neben den Schlafstädten an der eisernen Decke
des Zuges noch zusätzlich, mit schmutzigen Kunstleder überzogenen bessere-
Bretter auf Kopfhöhe ausgeklappt. An der Deck jedes Abteiles sorgten jeweils drei verstaubte Ventilatoren ergänzend zu den offenen Fenstern für Frischluft
(wessen Bedeutung mir in der folgenden Nacht- ich schlief auf der obersten
Liege- noch bewusst werden sollte) Im allgemeinen alles etwas beengend, alt,
verrostet, schmutzig, quietschend, hart aber OK für eine Erfahrungsnacht- das
Problem: wir würden zwei Nächte bis nach Amritsar im norden Indiens brauchen,
und die gleichen Weg auch wieder zurück.
Menschen, Koffer, Schuhe, ...alles braucht seinen Platz |
meine Schlafstädte, gemütlich nicht? ;) |
Aber darüber machte ich mir erst einmal keine Gedanken- fürs
Erste war alles ungewohnt, spannend und aufregend. Zusammen mit einer anderen
Lehrerin quetschte ich mich zu den 5 Schülern der Klassen 6 bis 9, für die wir
die Aufsicht hatten. Wir spielten gegenseitig ausfragen, ich erklärte ’Ich sehe
was, was du nicht siehst’, und wir sangen englische, hindi und auch deutsche
Lieder und als es schließlich später wurde und die Kinder entweder schön
eingerollt in mitgebrachten Baumwollaken schlummerten oder sich (mehr oder
weniger leise) Bettfertig machten, hatte ich etwas Zeit durch die schmalen
Gänge zu wandern, ’Namaste’s zu verteilen und die Welt des indischen Zufahrens
zu bestaunen.
bestens ausgerüstet mit Musik und Decken lässt sich so ein Zugfahrt schon aushalten |
die charmanten Damen im selben Abteil: es wurden Kekse verteilt und gefragt (natürlich Zeichensprache) ob wir meine Liege nicht teilen könnten, na, vielleicht nächstes mal ;) |
Ein sehr großes Problem ist, wie auch im restlichen Indien,
der Müll. Nach dem Abendessen (sehr lecker aus Reis, Dahl, Chapatti und anderen
Zutaten aus der Zugküche für alle Schüler bestellt und einzeln in Aluschalen
verpackt) wurde, wegen fehlenden Mülleimern im gesamten Zug, der ganze Abfall
einfach aus dem Fenster geworfen. Mich hat der Anblick aus dem Fenster
schockiert: Vor einer wunderschönen Kulisse aus kleinen Häusern und (wenigstens
Anfangs) vor allem weiten Reisfeldern lagen ,über eine Fläche von mehreren
Metern verstreut, Plastiktüten,
Chipstüten, Zeitungspapier, Plastikflaschen und sonst alle möglichen Güter
täglichen Gebrauchs und an manchen Stellen türmten sich ganze Müllberge neben
den Gleisen. Ich verstaute erst einmal meinen Müll (der sich einfach nicht
vermeiden lässt bei einer 2 tägigen Zugfahrt) unter dem Sitz und brachte ihn
gesammelt an den verschiedenen Stationen raus, die erstaunlicher weise von
endlichen Arbeitern sehr sauber gehalten wurden. Nicht gut heißen aber auch
nicht verurteilen könnte ich meine Mitreisenden die alles aus dem Fenster
warfen, direkt neben die Reisfelder die die Menschen ernähren- aber es gab
einfach keine andere Möglichkeit für diese Masse von Abfall.
in der Zugküche wird frisch gekocht- vor allem Tee, der mit lautem Geklapper alle 5 min am Platz angeboten wurde |
alte Frauen, Kinder, 'Zauberer' und Intersexuelle sammelt Geld und Essen |
Nach meiner Entdeckungstour und nachdem ich sämtlichen
Schülern eine gute Nacht gewünscht hatte (der halbe Zug schlief schon) ,
überkam auch mich die Müdigkeit nach dem Trubel und den Anstrengungen des
Tages, ich suchte mein Bettlaken und eine dünne Decke aus dem Koffer, der
neben einem einfachen Kofferschloss noch zusätzlich mit einer Kette unter der
untersten Sitzbank gesichert wurde und machte mich mit meiner Zahnbürste und
einer Packung Tempos auf zur Zugtoilette- vorstellbar aus einer Mischung aus
deutschem Raststättenklo und den typisch indischen Toiletten mit nur einem Loch
im Boden und zwei Hervorhebungen für die Füße links und rechts. Man kann sich
vorstellen, das es meine schnellste Katzenwäsche war und Gott sei dank hatte
ich noch im letzten Moment meine deutschen Feuchttücher in den Koffer geworfen,
die von dieser Reise nicht mehr weg zu denken sind.
Unter der Decke wechselte ich schnell meine Kleidung (und
damit war ich so etwa die einzige) und lag dann, einen halben Meter von der
Eisendecke entfernt und 3 Meter über dem schmutzigen, von Schuhen voll
gestellten Zugboden, unter- natürlich kaputten- verstaubten Ventilatoren auf
einer, vielleicht 4 cm dicken, harten Matte, hörte das schnauben des Mannes
neben mir durch die dünne Abteilabtrennung, neben meinem Kopf (als ob es nicht
schon eng genug wäre) mein Handgepäck sicher verstaut. So sollten wir noch den
nächsten Tag und eine weitere Nacht durch die verschiedenen Vegetationen
Richtung Himalaja fahren und schließlich schlief auch ich ein, mit lauter
Vorfreude auf die kommenden Tage, zwischen Schülern auf ihrer ersten Reise,
Müttern mit ihren Säuglingen, grauen Omis und alten Männern in weißen Gewändern.
Namaste und die Fortsetzung folgt bald (versprochen!)
eure reisende Rebecca
Namaste und die Fortsetzung folgt bald (versprochen!)
eure reisende Rebecca