Da war doch was...was ich noch zeigen wollte

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Donnerstag, 30. Januar 2014

Herzensangelegenheit




Letzten Sonntag war ein ganz besonderer Tag für Indien: am 26 Januar 1950  wurde Indien zur Republik erklärt, und somit offiziell unabhängig von den Briten. Also erst einmal: Happy Republic day! Aber auch für mich war es ein ganz besonderer Tag- ich habe eine Menge über das Leben hier gelernt und mal wieder vor Augen geführt bekommen warum ich hier bin.

Anstatt die Feier zum Republik Tag in unserer Schule mit zu erleben (ja, für diesen besonderen Anlass mussten die Schüler sogar am Sonntag für eine Stunde zur Schule), entschied ich mich die Einladung eines Vaters  anzunehmen und mit ihm zur Sonntags-messe in ein Dorf zu fahren.
Nach einem schnellen Frühstück wurde ich im Morgengrauen um 6 Uhr von einem Jeep angeholt, voll besetzt mit Vatern Joseph, drei Brüdern (in der Mitte ihrer Ausbildung zum Geistlichen und immer noch vollends überzeugt!) und vier Paletten Eiern für ein Hostel, das in dem Dorf von einer Schwester geleitet wird.
Warum die Eier die 70 km zum Dorf transportieren anstatt von den Farmern vor Ort kaufen und sie damit zu unterstützen, wollte ich wissen. „Wir drücken den Villagers nicht so gern Geld in die Hand, die können damit nicht so gut umgehen und außerdem sind die Eier aus eignender Produktion“, wurde mir beantwortet und bevor ich weiter nachfragen konnte, musste ich auch schon  die (immer wieder) atemberaubende Natur anschauen, die am Fenster vorbei flog. Schon mehrmals war ich mit dem Direktor der Schule am Sonntag in ein kleines Dorf gefahren um Messe zu halten (siehe: Mitten unter uns) und jedes Mal war es ein ganz besonderes Gefühl. Wenn ich sage dass Jagdalpur (was eine der grüßten Städte hier im Bundesstaat Chhattisgarh ist) eine ganz andere Welt als unsere deutschen/europäischen Städte ist, dann landet man, fährt man vielleicht 20 km raus aus der Stadt, über huckeligen Sandwege, vorbei an Reisfeldern, Palmen, Wasserbüffeln, einigen öffentlichen Brunnen am Straßenrand, auf den Bus wartenden Frauen in bunten Saries, in einem anderen Universum! Ich nehme jede Gelegenheit wahr um raus aus der Stadt in das (wirklich!!) ländliche Indien mit seinen Dorflern zu kommen. Wie Mahat Ma Gandhi einst sagte: „The heart of India is in his villages“, und auch mein Herz schlägt jedes mal schneller vor Glück dieses ursprüngliches, einfaches Leben zu sehen. Mensch pur! Aber auch extremer Armut, Unterernährung, schlachte Infrastruktur, Analphabetismus, wenige machtlose Schulen, fehlendes Interesse an Bildung, tatenlose staatliche Krankenhäuser, Wassermangel in der Sommerzeit, Arbeitslosigkeit und Unterbeschäftigung der Farmer nach der Reisernte im November.
Und doch gibt es immer Hoffnungstropfen, Menschen die was ändern, was aufbauen, wie die geistlichen Väter und Schwestern der Carmelites of Mary Immaculate (CMI) Wie die Schule in Jagdalpur gibt es in ganz Indien Schulprojekte, Hostels für Schulkinder, Kindergärten, Farms, Krankenhäuser, kleine Gemeinden, Ashrams, Ausbildungsstätten und Einrichtungen für Behinderte und mental Verwirrten, geleitet von der größten und ersten Congretation der katholischen Kirche in Indien mit dem Ursprung in Kerala, Südindien. Finanziert werden diese Projekte von Spendengeldern, Unterstützern und den Lohnen der CMI Väter die in anderen Ländern arbeiten.
Zu solch einer kleinen Dorfschule, mit 40 Schülern unterteilt in zwei Klassen und angeschlossenem Hostel für 14 Schüler waren wir unterwegs, aber erst einmal mussten wir dafür das Universum ändern. Circa zwei Stunden ging es mit dem Jeep auf erst gepflasterten ‚Highways’ und später nur noch auf Sandpisten durch den Dschungel, vorbei an trockenen Reisfeldern, riesigen Steinplatos, kleinen Bächen (die aber zur Regenzeit zu reißenden Flüssen werden!) dichtem Wald und grünen Lichtungen. Auf und ab, kräftig durchgerüttelt bis plötzlich Vater Joseph vor einem steilen Abstieg meinte:“ Schau hier zwischen den Bäumen den Abhang hinunter, wie in der Bibel beschrieben als das heilige Land weit unten vor den Füßen der Suchenden lag. Zwischen den Bäumen hindurch erblickte ich weiteres faches, dürres, gelb gefärbtes Land und mittendrin einige Hütten die wohl unser Ziel darstellen sollten.

einzigartige Landschaft Bastars

Nach kurzer Zeit parkten wir den Jeep am Wegrand neben einem Zaun aus Holzstöcken und einigen kleinen, schiefen Lehmhütten, vor uns: rote Erde, bewaldete Berge im Hintergrund, Sonnenschein, gelbe Stoppelfelder und einige grüne Palmen die die Helligkeit unterbrechen. Mittendrin steht ein kleines gemauertes Haus mit einem Vorplatz voll blau-uniformierten Kindern. Die dunkelblaue kurze Hose/oder Rock und ein hellblauer Hemd zeigen eigentlich die Dazugehörigkeit einer staatlichen Schule (zu finden in ganz Indien), aber wie mir die Schwester in gebrochenem English erklärte gibt es wohl Connections zu einigen Lehrern einer staatlichen Schule die die Uniformen günstig zur Verfügung stellen. Vielleicht 40 Schülerinnen und Schüler zwischen 4 und 14 Jahren stehen nach Geschlecht und Größe geordnet in ordentlichen Reihen vor einem geschmückten Fahnenmast und warten auf die Ankunft der Ehrengäste (und) um mit dem traditionellen Fahnen-hissen am Republik Day beginnen zu können. Einige Eltern, überwiegend Väter (Frauen sind bei so offiziellen Zeremonien nicht üblich, erklärt mir Vater Joseph) sitzen auf Plastikstühlen oder hockend auf dem nackten Boden.
Sobald sich alle begrüßt und vorgestellt hatten und wir uns auf die vorbereiteten Stühle gesetzt hatten, fing auch schon das Programm an: Vater Joseph hisste die Nationalflagge oben am verkleideten  Bambus-mast und zündete eine Öl-licht an, die Nationalhymne wurde angestimmt, eine Show die stark an das morgendliche Sportprogramm erinnerte , kleine Reden seitens des Vaters und der Lehrerin, , in dieser Zeit zogen sich die Schüler im Gebäude unter lautem Gerede und Gelächter um, es folgten Tänze, Lieder und Gedichte. Das alles war zwar ein bisschen improviesiert- aber gerade diese einfache Ehrlichkeit machte diese ganz besondere ‚Tag der Republik- Feier’ so einzigartig! Danach bekam jeder ein Stückchen Zeitung und es würde an alle aus einem großen Metallbehälter Essen (indische Snacks wie Chips aus Reismehl, gemischt mit Nüssen, Zuckerrohr-masse und anderem) verteilt. Die Väter genossen, die Kleinen saßen auf Bastteppichen auf dem Boden und verschütteten die Hälfte, größere Schüler halfen ihnen und teilten die Reste.
Nach den Essen gingen die Meisten Schüler nach und nach an den Händen der Väter nach Hause, es wurde aufgeräumt, ich besichtigte die Räume und ließ mir alles ganz genau erklären und Vater Joseph bereitete die messe vor, die nun für die wenigen christlichen Familien im zwei-in-ein- Klassen- und Kirchraum gehalten wurde.
Der Boden: ausgelegt mir Plastik-plane und Strohmatten
die Wände: weiß-gestrichener Rohbau mit einigen Lernplakaten und einem schlichtem Holzkreuz
das Mobiliar: gesessen wird auf dem Boden, als Altar dient ein alter Metall-tisch mit gemusterten Tüchern, und ein Metallschrank für  Lehrmaterial


eine ganz besondere Performance zum Republic day



Schalf- und Speiseraum der 14 Hostelkinder,
abends werden dünne Matten zum schlafen ausgerollt
-kannst du dir vorstellen all dein Eigentum in einem kleinen Truhe zu haben

…und schon fing die heilige Messe an. Die Frauen in ihren schönsten Saris saßen mit verhüllten Köpfen auf der einen Seite des Raumes, die Männer auf der anderen. Da die Messe auf Hindi gehalten wurde konnte ich leider nicht allzu viel verstehen, aber trotz alle dem (oder gerade deswegen) ist die Stimmung auch voll auf mich übergesprungen: es war eine sehr lange Messe (fast 2 einhalb Stunden), es wurde viel gesungen, laut gebetet, und zur Kollekte wurden vorne zwei Metallschalen aufgestellt, eine für das Kleingeld, eine andere für Reis und Gemüse, welches die Leute frisch aus ihrem Feldern vor den Altar brachten und  einige Männer trommelten im hinteren teil des Raumes. Und wieder wurde es wahr was ich schon das erste Mal bei einer Messe im Dorf erlebt habe:“ Wenn zwei oder der im meinem Namen versammelt bin, da bin ich mitten unter euch.“
Nach einer schnellen aber sehr herzlichen Verabschiedung ging es auch schon schnell weiter, da war schließlich noch eine zweite Gemeinde die auf uns wartete. Und wieder führte und der Weg durch den Urwald, bergauf, bergab, vorbei an kleine Dörfern und öffentlichen Brunnen, einigen staatlichen Einraum-Schulen, immer begleitet von Geklapper, indische Handymusik und der roten Erde und Staub um uns herum.

Vater Joseph betet mit einem Farmer

...und viel zu schnell mussten wir uns auch schon wieder verabschieden

Die Einwohner des zweiten Dorfes gehöre zu dem Stamm der Gonds und sprechen die lokale Sprache Bhatri. Diese Ethnie gehört zu den Adivasis, den Ureinwohnern Indiens. In Nachbarbundesstaat Madhya Pradesh und hier, in einem kleinen Gebiet Bastar, Chhattisgarh zusammen leben etwa 4 (oder 9, da gibt es unterschiedliche Angaben und auch Definitionen)Millionen Gonds. s.a.http://en.wikipedia.org/wiki/Gondi_people)
Wie ein Bruder mir erklärte kam vor ca. 6 Jahren ein protestantischer Pfarrer in das Dorf und verbreitete den christlichen Glauben. Nach einem Jahr aber verließ er die Region (aus unbekannten Gründen) und einige (nun christliche) Dorfbewohner kamen nach Jagdalpur um vor dem Bischof um Hilfe und einer Weiterführung des christlichen Glaubens zu bitten. Seit zwei Jahren ist es nun Vater Joseph Aufgabe den vielleicht 35 bis 45 christlichen Frauen und Männern (es werden immer mehr und mehr und besonders zur Reisernte müssen die Farmen die Zeit auf ihren Feldern nutzen und können nicht zur Messe kommen) die Kommunion zu geben und ihnen das Christentum näher zu bringen. “Am Anfang gab es schon Probleme mit einigen Dörfälteren und den Dorfleadern: einige Familien sind katholisch, die restlichen Gonds haben ihre eigene Wald-Religion mit Göttern, manchmal sind auch nur Teile der Familie katholisch- natürlich kann das schon mal zu Konflikten führen, aber als sie erkannt haben, dass wir nichts böses wollen und auch keinen überzeugen, sondern warten bis sie zu uns kommen haben sich die Probleme gelegt.“ erklärte mir Vater Joseph Und es stimmt schon, wenn die Familien zum Christentum konvergieren verlieren sie einen Teil ihrer jahrhunderte-alten Wurzeln, deshalb bin ich bei dem Wort ‚missionieren’ auch gerne etwas vorsichtig. Auf der anderen Seite leistet die Kirchen wunderbare Arbeit: Schulen und Hostels werden kostenfrei zur Verfügung gestellt in Gebieten wo die staatlichen Schule rar und schlecht sind, Lehrer bezahlt und es wird für die Kinder gekocht. Auch in dem Dorf (was wir besuchten) lebt eine Schwester (sie sieht allerdings mehr selber wie eine Dörflerin aus) die eine kleine Krankenstation mit zwei Zimmern führt und sich um die Kranken und Schwachen kümmert. Aus Jagdalpur brachten wir Medikamente für eine Frau mit, die Schmerzen in den Beinen hat.
Religion ist für die Menschen hier in Indien sehr wichtig, dabei spielt es keine Rolle ob Christen, Muslime, Hindus oder Sikhs. Die Hoffnung und Kraft der Menschen liegt in Gott (oder Göttern) und es ist einzigartig mit zu erleben und berührt mich sehr tief die Frauen, Männer und Kinder beten zu sehen!
Aber unabhängig von einem allgemein tiefen Glauben ist es eine ganz andere Sache wenn ein geistlicher jeden Sonntag 5 Stunden mit einem Jeep durch den Dschungel fährt um diese Menschen im Gauben zu unterstützen, sie zu stärken und für die zu beten. Und genau das wurde dann gemacht:

Adivasi-mädchen mit ihrem kleinen Bruder auf dem Arm

schon einmal war ich kurz zu Besuch in dem Dorf:
zur Begrüßung wurden traditionell Tänze gezeigt...
(auch ich habe schon einmal getanzt)

...und in den typischen Masken mit Buffalo-hörnern getrommelt



Als wir ankamen wurde schon seit einer halben Stunde Rosenkranz gebetet. Zwar besaß keiner einen Rosenkranz, aber die Gebete wurden laut gemurmelt und wir setzten uns erst einmal kurz draußen vor der Hütte (die als Kirche, Schlafzimmer der Schwester und auch Gemeinderaum gilt) um uns bei einem Tee ein wenig von der langen und anstrengenden Fahrt zu erholen. Auf dem Weg hatten auch einige Leute von den Sandwegen aufgesammelt die auf dem Weg zum Gottesdienst waren und von  kleinen Dörfern weiter entfährt kamen, einige laufen schon früh am morgen los um die bis zu 20 km bis zu diesem Dorf zu laufen. Wenn man das hört klingt das wie in eine Georeportage über ein unerforschtes Dorf im südamerikanischen Regenwald- aber das alles ist hier, vor meiner Nase, ich kann die Menschen lachen hören und ihnen „Jaya so“ wünschen, was so viel heißt wie „Gott sei mir dir“. Und immer wieder konnten wir Frauen und Männer ankommen sehen, viele hatten (hier sehr typisch) besondere Plastiktragetaschen mit, die sie vor der Hütte in die Bäume hangen, wenige mit verrosteten Fahrrädern, viele Frauen mit Säuglingen und Kleinkindern vor dem Bauch gebunden oder auf der Hüfte.
Nach einiger Zeit Verschnaufpause, Hände-geschüttelt und „Jaya so“-gewünscht betraten auch wir die Hütte und ich setzte mich auf den letzten freien Platz auf dem Boden. Vor den Altar (wieder nur ein alter Tisch mit weißen und bunten Decken) wurde ein goldener Teller mit Blütenblättern und einigen Räucherstäbchen gestellt- die während der gesamten Zeit ganze drei Mal erneuert wurden!) Ein Mann fing am auf einer hölzernen Trommel zu spielen, ein anderer schlug zwei kleine Metallscheiben zusammen und ein Dritter hatte zwei Rasseln in der Hand. Wieder saßen die  Frauen getrennt von den Männern und die Kinder sammelten sich vorne um den ‚Altar’ herum, aber nun begannen alle zusammen zu klatschen und Lieder an zu stimmen. Zwar konnte ich den Text nicht verstehen und es war auch ziemlich schwierig darum für mich mit zu singen, aber ich konnte auch im Takt klatschen und mich richtig fühlen. Vater Joseph hielt die Messe, las aus einer dicken Bibel, hielt die Predigt, manchmal las einer der Brüder oder die Schwester einige Texte und immer wurde alles von einem Mann aus dem Dorf (der auch Hindi spricht und somit die Worte verstand) übersetzt. Zwischen den Liedern kam Vater Joseph vor den Altar und jeder der wollte konnte sich vorne hin knien, Vater Joseph legte ihm die Hände auf den Kopf und betete für ihn. Erst kamen die Frauen und Kinder, später kamen auch die Männer nach vorne und ließen für sich beten. Und für jeden nahm sich Vater Joseph Zeit, 6 Jährige Mädchen genau wie humpelnde alte Männer und Frauen mit ihren Babys auf den Armen. Jedem gab er das Gefühl wichtig zu sein, seine Sorgen ernst zu nehmen und ganz persönlich für ihn da zu sein- das Christentum mit einem Gott der seine Schützende und behütende Hand über jeden einzelnen hält (natürlich nur symbolisch). Mich hat diese Ruhe und Geduld ziemlich fasziniert, und es wurde auf den letzten kleinen Jungen gewartet, der zögernd und schüchtern zu ihm kam. Allein diese Aktion hat etwa eine Stunde gedauert, danach wurde wieder gesungen, laut gebetet (das ist der Teil der Messe in Deutschland, wo alle stumm bleiben und sich nicht trauen laut ihre Sorgen und Wünsche auszusprechen) und natürlich auch die Gabenbereitung gehalten. Dabei dürfen nur die Leute nach vorne kommen die getauft sind, und das waren nicht besonders viele weil man erst zwei Jahre lang zur Messen kommen soll und sich im Gauben wirklich sicher zu sein und ihn verstehen zu lernen, wie mir der Bruder zu meine erstaunen erklärte).

mit erhobenen Händen und lautem Stimmengewirr wird Gott gerufen

Vater Joshep ließt die Messe

ein Mädchen vor dem Altar- ohne Worte

und ich habe erkannt: die Menschen brauchen Gott!

Nach der eigentlichen Messe, die noch mal mit einem besonders lautem und fröhlichem Song beendet wurde, erzählte der Vater noch einige Neuigkeiten aus Jagdalpur und Nachrichten aus Indien. Neben dem Glauben dient dieser Besuch nämlich sozusagen auch noch als lebendige Zeitung. In Gondi gibt es keine Zeitung und auch ist diese Sprach eher eine gesprochenen nur mit Konsonanten wurde mir erklärt und nach Jagdalpur oder eine andere Stadt kommen die Leute nur für den Markt (wenn überhaupt) und der Dorfleader ca. 4 bis 6 mal im Jahr um sich mit anderen Stammchefs und Leuten von der Regierung zu treffen und Probleme, Besonderheiten und Neuheiten zu besprechen. Außerdem würde die Kollekte der heutigen Messe gezählt, säuberlich in ein Buch eingetragen und auch laut bekannt gemacht: es kamen ungefähr 160 Rupes zusammen (soweit ich das mit meinen Hindi-Kenntnissen verstehen konnte), das sind etwas über 2 Euro und anderthalb Schüsseln voll Reis- es wurde gejubelt und geklatscht.
Daran erkennt man erst einmal den wert, den Geld hier noch hat, jeder hat soviel gegeben wie er kann, auch wenn es nur 2 Rupes waren und eine Tasse voller Reis und für dieses Geld kann man schon einen neuen Teppich zum schlafen kaufen, die Schwester hat genügend Reis für mehrere Wochen, es gibt Verbände und wichtige Medikamente für die Kranken, die Schüler bekommen neue Heft und Bleistifte- und das alles nur wegen wenigen Euros!
Es ist  unendlich traurig, dass das Geld nicht mal für diese essentiellen Dinge reicht, aber auch wunderbar und das beste Zeichen für Menschlichkeit, das alle zusammenhalten, die Farmer ihren wertvollen Reis der Schwester zum Dank geben, die Schulkindern ihr Essen mit den kleineren Kameraden teilen, die ihres verschüttet haben, Gottes Worte extra übersetzt werden, sodass alle sie verstehen können, die Menschen sich über so viele Kleinigkeiten freuen oder mich einfach anlachen!!
Das Leben hier ist so besonders, so ganz anders als alles gewohntes, so weit weg wie in einer Fernsehenreportage, so einfach, so ärmlich, einfach unvorstellbar- und doch lachen mich die alten Frauen mich mit ihren wenigen schiefen Zähnen an, schütteln mir stolz die Hand, erzählen mir aufgeregt auf Gondi- sind Menschen wie du und ich und haben ein so anders Leben, werden nie die Möglichkeiten haben ,die wir jeden Tag ungeachtet vorbeiziehen lassen, werden sich nie Gedanken über Urlaubsziele und Billigflüge machen, nie in einen Zirkus gehen, Shakespeare lesen oder das Meer sehen. Ich habe das große Geschenk (oder auch die Qual der Wahl) mir einen Studienfach aus zu suchen, meinen Wohnort selber wählen zu können, Chinesisch zu essen wenn mir danach ist und auf die andere Seite der Welt zu Reisen weil ich sie so besser zu verstehen erhoffe- und die Kinder freuen sich über ein Jojo, neue Radiergummis oder ein paar neue Flip-flops.
Das Leben das immer so weit weg war, in exotischen Geschichten wie dem Dschungelbuch oder hinter dicken Fernesehengeräten ist nun um mich herum, ich bin mitten drin und für eine  kurzen Moment Gast in diesem Leben. Und was kann ich machen?- Lächeln, nickend den Erzählungen zustimme, wenn mir jemand aus seinem Leben erzählt und versuchen ihr Leben ein bisschen einfacher zu machen, indem ich sie finanziell unterstütze. Jeder Euro, den ich noch in Deutschland gedankenlos für ein Erdbeereis oder neu Ohrringe ausgegeben habe bekommt hier einen ganz neuen Wert, wird zu einem Faktor, der den Tag zu einem Guten oder einem Schrecklichen machen kann, wenn die Farmerin auf dem Wochenmarkt ihre drei Möhren und einige Köpfe Rosenkopf nicht verkaufen kann.
Und nun kommt meine Herzensangelegenheit zur Sprache: Ich würde gerne Geld sammeln, ich möchte diese Spenden (und seien es 5 Euro) direkt und unverzüglich den Vätern geben, die genau wissen welches Projekt dringend eine Finanzspritze braucht. Sei es Medizin für die kleine Krankenstation, Schulhefte für die Schüler oder das Dach einer neuen Schule, die gerade in einem Nachbardorf gebaut wird. Ich möchte den Menschen wirklich einen Grund zum Jubeln und Applaudieren haben! Ich möchte zeigen, dass die fremde Weiße nicht nur zum anschauen, Fotos machen und verständnisvoll Lächeln kommt! Ich möchte den Menschen eine Sorge nehmen, denn davon haben sie schon genügend! Und ich möchte danke sagen, danke, dass sie mich an ihrem Leben teilhaben lassen, mir einen Einblick in ihrer Welt geben, mich willkommen heißen und mitnehmen, danke dass sie mich zum denken anregen, zum reflektieren und vielleicht am Ende auch zum Ändern, ich möchte für jedes einzelne Lächeln danken, seien die Zähne auch noch so gelb- und diesen Dank kann ich am besten (das habe ich erkannt, als ich die zerrissenen und viel zu großen Kleider und die Freude über die 160 Rupes gesehen habe) durch finanzielle Hilfe ausdrücken!
Eine Herzensangelegenheit an euch da drüben in Deutschland, den ich immer versuche mit Fotos und Erzählungen das (mein) Leben hier näher zu bringen, begreiflich zu machen (obwohl ich es selben gar nicht begreifen kann) und ein Stückchen Indien zu schenken, weil es vielleicht das größte und unglaublichste Geschenke ist, das ich je bekommen habe!

Ich habe ein Visakonto, von dem ich das Geld direkt und ohne Gebühren hier in Indien abheben (oder überweisen) kann und direkt und an katholische diocese of Jagdalpur/CMI Distrikt Jagdalpur weiterleiten werde.

Bank:Deutsche Kreditbank AG
BLZ:120 300 00
Kontonummer:101 930 2148
Kontoinhaber: Rebecca Bäumer
Verwendungszweck: Herzensangelegenheit

Fragen, Anregungen oder allem Anderem schreibt mir doch bitte per E-Mail an: rebeccabaeumer@gmx.de


Das Ende der Geschichte?
Nach dem Gottesdienst sind wir alle rausgeströmt und haben uns auf dem Vorplatz gereckt und gestreckt. Wieder wurden Hänge geschüttelt und auch einige Erinnerungsfotos gemacht. Danach gab es Reis Dahl und Gemüse für den Vater, die Brüder und auch mich. Ich war ziemlich dankbar und verschlag das gut gewürzte (!!) Essen mit Genuss, schließlich war es schon fast drei Uhr und außer einigen Chapatis (Fladenbrote) und den Snacks in der Schule hatten wir alle noch nichts gegessen. Es wurde noch ein bisschen geredet, erklärt, übersetzt, einige organisatorische Angelegenheiten mit dem hindi-sprechendem Mann besprochen (der eine echt wichtige Rolle als Vermittler zwischen Dörflern und Vater Joseph hat) und schon ging es auch schon wieder zurück Richtung Jagdalpur (die ersten 10 km nahmen wir zusammengepfercht im Jeep noch 5 Frauen mit, die zurück in ihr Dorf mussten), zwei weitere Stunden durchgeschüttelt im Jeep, durch vertrocknete Felder, Wälder, vorbei an Männer mit langen Holzscheiten auf den Schultern, Schulkindern in blauen Schuluniformen, die von ihrer Schulfeier zurückliefen, und herrenlosen Kühen, immer im Hintergrund das atemberaubende Panorama der in der Ferne verschwindenden bewaldeten Berge.
Ich hatte ein wenig Zeit den Tag noch einmal rewue passieren zu lassen, über Erlebtes, Gesehenes und Gelerntes nach zu denken, begreifen zu versuchen und für dieses wundervolle Geschenk zu danken.

"Fotoshooting!"

mit Händen und Füßen mit einer Gondi- Frau geredet
- am Ende wurde ich für eine Woche sogar in ihre Hütte eingeladen :)


Adivasi- Frau- so anders und doch so vertraut!



Das waren Herzensangelegenheiten und Erfahrungen über einen ganz un)gewöhnlichem Sonntag in einem Land, von dem ich manchmal nicht weiß ob ich weinen oder lachen soll.

Namaste, liebe Grüße und danke fürs Zuhören
Euer Rebecca




Montag, 27. Januar 2014

Morgennebel

Von Dezember bis Januar dauert der indische Winter. Dass es einmal kalt wird in Jagdalpur konnte ich mir während der warmen Regenzeit gar nicht vorstellen, aber so ist das ja immer.
Für meinen Nordindienurlaub (siehe Skiverleih Nr.371) hatte ich mit einer Freundin zusammen eine wollende Strickjacke gekauft, mit ihrem Versprechen, dass ich sie auch in Jagdalpur tragen könnte. Die meisten, die ich nach ihrer Lieblingszeit in Jahr fragte, sagten voller Überzeugung: die Winterzeit- und auch mich sollte diese ungewöhnliche, kurze, überraschende Jahreszeit in ihren Bann ziehen.

Eins nach dem anderen eröffneten am Straßenrand improvisierte ’Wintergeschäfte’, wo man über Handschuhe, Mützen, Kopftücher, Wollsocken, schrecklich bunte Synthetikjacken, Daunenjacken und –westen alles bekommen konnte. Auch die Geschäfte in der Hauptstraße änderten ihr Sortiment und die sonst in der untersten Schublade versteckten Schals und Jacken kamen zum Vorschein. Die Lehrer trugen über ihren Saries warme Jacken oder schöne bestickte Tücher und beschwerten sich zich mal am Tag, dass es „einfach zu kalt wäre“ ohne mal nach draußen in die Sonne zu gehen. Ich kaufte mir noch mal eine warme Decke und schloss am Abend die Fenster, die ich seit 5 Monaten noch nie zugemacht hatte- es wurde Winter.

Mal eben mit dem Motorrad vorbei und ein paar warme Jacken kaufen?

Der indische Winter ist schon etwas Sonderbares. Ähnlich wie von Wüstenwetter bekannt, fallen die Temperaturen abends schlagartig auf wenige, vielleicht 9 Grad, die Nacht ist kalt, der Morgen nebelig und ungemütlich, bis die warme Sonne das Land am Morgen um 9 Uhr wieder aufwärmt und man sein Mitgegessen in kühlenden Schatten unter Palmen im T-Shirt genießen kann. Aber gerade diesen wenigen, kalten, nebeligen Morgenstunden verzaubern die Stadt und die Menschen und ich beschloss diesem nachzugehen, bei einem frühen Morgenspaziergang, eingepackt in Socken (Primäre, meine ersten Wollsocken in Indien), Schal und Mütze.


Als um kurz vor 6 am Morgen mein Wecker klingelte hätte ich mich am liebsten, wie sonst immer, noch mal in meiner Kuscheldecke umgedreht und weiter geträumt, aber heute heiß es: Das Morgengeheimnis lüften, und dafür warm anziehen. Mit Kamera und ein wenig Gel für warmen Tee ausgestattet ging’s in die Nachbarschaft zu einen nah gelegenem See den ich wenige Tage zuvor durch Zufall entdeckt hatte. Der Morgen war kalt und nebelig und der Wachposten am Schultor, warm eingemurmelt in seinen Schal, murmelte ein überraschtes „good morning, mam“ und schloss mir das Tor auf.
Das Leben fängt hier in Indien schon sehr früh am morgen an, und selbst wenn die Schulkinder der staatlichen Schulen erst um 9 oder sogar noch später zur Schule müssen, wird morgens gelernt, heiß Wasser zum waschen gemacht, das Grundstück gefegt und die Straße bewässert (es hat seit 3 Monten schon nicht mehr geregnet und um vollkommenes zustauben zu verhindern wird regelmäßig die Straße mit Wassereimern bearbeitet). So musste ich mich zwischen die Wasserschüben aus Plastikeimern hindurchdrängeln, konnte beobachten wie früh am Morgen die Geschäfte mit neuen Waren beliefern wurden, Männer tief eingemurmelt in Schals und Mützen lebendige Händchen mit dem Motorrad zum nächstem Markt fuhren und sich an Feuern an Straßenecken, die zum Müllverbrennen dienen, die Hände gewärmt wurden.


Zwei Sikh- Jungs wärmen sich vor der Schule am Feuer
vor dem Haus auf

Über allem lag der Morgennebel, der die Straßen wie im Märchen erscheinen ließ und besonders als ich am künstlichen See mit einer Götterstatue in der Seemitte, angekommen war kam mir alles ziemlich unwirklich.

wunderbare Natur, Müll, Armut und Reichtum-
manchmal weiß ich nicht ob ich weinen oder lachen soll

Fahrradrikschas warten auf ihren Einsatz
Die Wohngegend um die Schule und auch am See ist sehr ärmlich: kleine Hütten, manche ohne fließend Wasser, Müllberge türmen sich am Uferrand und Kinder spielen später mit gefundenen Metallkisten barfuss in zerlöcherten Kleidern. Ich war da schon eine Erscheinung, und sofort kam eine alte Frau, eingehüllt in schmutzige Tücher und einen Baby auf dem Arm zu mir um mit mir zu reden. Mit einigen Kommunikationsschwierigkeiten verabschiedete ich mich schließlich und erkundete neugierig und staunend den neu angelegten Kiesweg um den See herum.
Eine Frau sortierte vor ihrem Haus Reiskörner und wendete sich ganz schnell ab als ich zu ihr hinüber sah, etwas später trafen sich am Seeufer Männer zum Zähneputzen und redeten belustigt in Hindi. Ich traf Marco und seine Freunde, deren staatliche Schule (dort wird zwar English gelehrt, aber meist nur sehe bescheiden) um 11Uhr beginnt, und die ihre Zeit mit abhängen und Kartenspielen am morgen rumschlagen. Ein Englisch sprechender Shopkeeper auf seinem morgendlichen Spaziergang gesellte sich zu mir und erzählte mir von seiner Familie und seinem Business, einige Zeit lang sah ich 4 Frauen beim Wäschewachen im See zu: kaltes, schmutziges Wasser und einen Berg voll Wäsche von mehreren Kindern, Ehemann und den Schwiegereltern- und trotzdem schienen sie diese Morgendliche Auszeit unter sich zu genießen.



Der neue (fast fertige) Weg um den See- wird am Morgen
 von den Anwohnern wunderbar angenommen und als Treffpunkt,
 für den Morgenwalk oder als öffentliche Waschstätte genutzt.

drei alte Frauen waschen ihre Saris im eiskalten Wasser

so einfach kann man wohnen- schon erschreckend!

Mit  Holz eines Baumes Namens 'Neem' werden die Zähne gereinigt,
 zu findem auf dem Wochenmarkt oder in einigen Gärten

Marco (im blauen Kapuzenshirt) und seine Freunde
- kennengelernt am Morgen

auch die Kühe brauchen ihren Morgenwalk

vier Schönheiten beim waschen und tratschen
- die Unterröcke ihrer Saries zum Kleid gemacht



Viel zu früh brach auch schon das richtige Leben wieder an, immer mehr Menschen kam, winkten mich zu sich, wollten Fotos machen und immer wieder die gleichen Fragen auf Hindi oder gebrochenen English stellen  und einige unserer Schüler führen mit dem Fahrrad vorbei am mir zur Schule. Das war auch das Zeichen für mich sich auf den Rückweg zu machen, allen versichert noch mal wieder zu kommen und dann in ihrem Haus zu essen, zum Abschied gewunken und schnell zurück zur Schule um sich in der Küche etwas auf zu wärmen, warmen Tee und leckeres Frühstück zu genießen, bevor die Schulglocke zur ersten Stunden läutet.


Impressionen aus einer ganz besonderen Zeit in einem Land mit immer wieder neuen Gesichtern. Langsam wird es aber auch am morgen wieder wärmer und auch am Abend braucht man keine Mütze mehr: Die Sommerzeit wartet- und schreibt wieder neue Geschichten.

Namaste, bis bald und liebe Grüße

Eure Rebecca

Montag, 20. Januar 2014

Eine ganz besondere Weihnachtsgeschichte

Hallo meine Lieben, Frohe Weihnachten und ein tolles, erlebnisreiches neues Jahr 2014 erst einmal! Hier bin ich wieder, mit einem ganzen Sack voller Geschichten, Gedanken, Einsichten und Aussichten die niedergeschrieben wollen! Los geht’s mit Weihnachten mal anders….als erwartet.

Wann brauche ich Deutschland, meine Familie und die gewohnten Traditionen?- Dieses Jahr nicht! - Falsch gedacht- und schon wurde am 1. Advent ein Adventskranz gebastelt. Adventskranz: zwar Weihnachten, aber trotzdem anders, mit Banane- und Kokospalmenblättern, getrockneten Schoten und natürlich 4 Kerzen, gehalten von leeren Kokosnüssen, aus dem Shop nebenan.
Mein erster schritt mich auf die Geburt Jesu vorzubereiten…und danach kam lange Zeit nichts mehr.

Gewohnter Alltag- den ich aber mit Geschenkideen kurz vor Weihnachten unterbrach: Orangenmarmelade hatte ich schon eingekocht und süß verpackt, nun kamen noch Weihnachtsplätzchen hinzu.  Weihnachtsplätzchen sind hier vollkommen unbekannt, dafür gibt es leckeren, braunen Gewürz- und Nusskuchen der- von jeden- an jeden- verschenkt wird. In der Stadt hatte ich mit einigem Suchen alle Zutaten zusammen die man für das Mürbeteigrezept „ein Teig- 10 Plätzchen“ aus der Brigitte braucht. Als Butterersatz (ich habe nämlich noch keine ungesalzene gefunden) tut es Apfelmus. Im benachbarten Hostel, das einen richtigen Oven hat, hatte ich mich angekündigt und wurde von 5 spannend wartenden Schwestern herzlich erwartet. Nach einigem Erklären, rum Überlegen, Sachen zusammen Gesuche hatte ich eigentlich gar nichts mehr zu tun: Alle Schwestern waren beschäftigt mit Mehl sieben, Teig kneten, Nüsse reiben, Datteln (als Zusatz zu den Rosinen) zerkleinern, Schokolade schmelzen, und, und, und. Als ein Blech nach dem anderen meiner 4. Ausgewählten Plätzchensorten schließlich im Oven verschwanden, stand auch noch die letzte, geduldigste Oberschwester davor und grübelte über die Backdauer.
Fazit: die Plätzchen waren OK, manchmal hat selbst eine Oberschwester nicht recht mit der Zeit, das Hostel will bald einen zweiten Anlauf nehmen, mit den Schwestern kann man echt Spaß haben, und die Beschenkten haben sich riesig gefreut und sehr schnell unsere Tagesarbeit aufgegessen ;)
Eine kurze, sehr schöne Unterbrechung gab es bei der ganzen Aktion: bei Dunkelheit klingelte es plötzlich an der Tür: die erwarteten Carolsänger. Eine Gruppe Jugendlicher aus der Gemeinde ziehen vor Weihnachten zusammen mit dem Pastor zu den verschiedenen christlichen Einrichtungen und auch Privathäusern. Einer war als Nikolaus (mit schrecklicher hellheutiger Nikolausmaske aus Plastik)verkleidet und zusammen mit den Sängern wurde im Hausflur Lieder auf English und Hindi gesungen, wild getanzt und gute Laune verbreitet. Mit ein wenig Geld und/oder Stärkung gehts dann weiter durch die Nacht.

Zwischen den Tänzern und Sängern und natürlich Santa Klaus

Und endlich fingen auch die Weihnachtsvorbereitungen in der Schule an! Eines Tages in der Freistunde, in der ich mir auf dem Flachdach der Schule ein zweites Frühstück gönnte, fand ich endliche unserer Busfahrer am Lichterketten zusammenbauen und nachschauen. Wie mir der Direktor nachher erklärte als ich nach den Kosten der gewaltigen und in allen Farben blinkende Weihnachtsbeleuchtung fragte, sei es günstiger einzelne Lämpchen und Kabel zu kaufen als fertige Lichterketten, und so wurde vier Tage lang von bestimmt 6 Männern- und manchmal auch mir, Drähte geknipst, Isolierung entfernt und Lämpchen befestigt. Am Ende wurden die vielleicht 50 Lichterketten an der gesamten Schulfassade entlang angebracht, inklusive dem Nachbargebäude, alle in verschiedenen Farben und in verschiedenen Frequenzen blinkend, und inklusive dreier vielleicht 6 Meter hohen Drahtsternen ebenfalls mit Lichterketten versehen auf dem Schuldach- und ich beschwere mich über die fehlende Weihnachtsstimmung;)

Damit auch die geplante Krippe draußen in einer Ecke des Schulhofes passend zur großen Weihnachtsfeier am 23. fertig wird, treffen sich in den Tagen vorher einige der männlichen Lehrer nachts, um beleuchtet von hellen Bauscheinwerfern die Erde umzugraben, Styropor-Ziegel zu schnitzen, eine keine Hütte aus Bambus und Stroh zu bauen und alles ordentlich mit Graß und Heu zu verschönern. Einige Abende half ich mit und wurde so offiziell ins Krippenebau- Komitee geladen, welches den späten Abend mit Tee und Kuchen und auch mal mit einen leckeren Essen  in der Küche beschließt. Passend am 23. war auch fast alles fertig und noch am Vormittag wurden Palmen und Büsche mit bunten Kugeln, Plastikanhängern, weiter Lichterketten und einer Menge glitzerndem Lametta verfeinert.




Schon am Morgen den 23. trafen sich auch unsere schuleignende Carolsänger um ihre bereits am Vortag einstudierten Weihnachtslieder über Jingle-bell bis hin zu ruhigen Hindiliedern in die Schule heraus zu singen. Noch schnell wurden Stoffbärte angeklebt und Bäuche gebastelt und schon ging es in Teams in die verschiedenen Klassen, begleitet von Gejubel und einem Stückchen vegetarischem Weihnachtskuchen für jeden.
Das war’s auch schon an Weihnachten für die Schüler,die bis zum 27. ihre Winterferien genießen konnten, vorausgesetzt natürlich es wird nicht in den wenigen christlichen Familien Heiligabend zelebriert.
Für die 9 Schüler meines Deutschkurses gab er aber noch eine kleine Besonderheit: für heute war eine kleine Weihnachtsfeier mit Essen, heißem Kakao und Fotos und Geschichten vom Weihnachten im fernen Deutschland. Passend am Morgen ist auch ein Packet von meinen Eltern angekommen, in welches natürlich ganz vorsichtig schon einmal geschaut wurde und die Spekulatius entwendet wurden ;) So gab es also heiße Schokoladen, Samosas und deutsche Spekulatius zu den Weihnachtsritualen und Geschichten aus Deutschland (die Fotos konnten leider wegen Stromausfall erst nach Weihnachten gezeigt werden) und in meine Weihnachtsferien wurde ich ganz süß mit „Frohe Weihnachten, mam“ entlassen

unsere Weihnachtswichtel


Schon den ganzen Tag wurde hinter der Schule von externen Kochen fleißig Gemüse geschnippelt und vorbereitet- für die große Lehrer mit Familien Weihnachtsfeier am Abend. In der Konferenzhalle half ich mit einen große Weihnachtstanne zu schmücken, Luftballons zu befestigen und Stühle zu rücken.
Und schon war es 6 Uhr und Lehrerinnen in neuen Saris und Lehrer, Ehemänner und Kinder, hergerichtet wie kleine Prinzessinnen und Prinzen, strömten zur Schule. Es gab Reden über die Geschichte von Weihnachten, in Glitterpapier eingepackte Geschenke wurden in Spielen an Groß und Klein verlost und Lieder gesungen. Für jeden Staffmitglied gab es eine Timer und eine Wandkalender mit dem Logo der Schule, die Busfahrer und Frauen die in der Schule auf den Fluren sitzen, Papiere rum bringen und nach Unterrichtsschluss putzen, bekamen Hemden und Saries. Als Höhepunkt wurde die Bibel vom improvisierten Altar geholt, ein Vater las daraus vor und unter dem wunderbaren Weihnachtsgesang einer Lehrerin wurde das Jesuskind vom Altar nach draußen in die Krippe gebracht. Es war echt ein richtig schöner feierlicher Moment!! Danach ging es in die Klassenräume, wo ein langes Buffet aus Reis, verschiedenen Currys, Chapatti, Dahl und Süßspeisen  auf uns wartete.
An langen Tischen wurde zusammen gegessen, geredet und gelacht. Es wurde ein richtig schöner Abend! Um 11 verabschiedeten sich dann alle, es wurde sich gedrückt, frohe Weihnachten gewünscht und über die Geschenke gefreut…und ich half noch ein bisschen aufräumen.

Geschenke über Geschenke über Geschenke..und alle wurde verlost

Weihnachtsgesänge, Lichterketten- und plötzlich war eine wunderbare
Weihnachtsstimmung da!


Schon am nächsten Tag brachte mich Vater Santhos nach Bacheli, eine andere Stadt ca. 3 Autostunden von Jagdalpur zu einer befreundeten Familie, die mich über Weihnachten zu sich eingeladen hatte. Obwohl wir uns kaum kannten (ich hatte nur einen Tag mit ihnen verbracht einige Monate vorher) habe ich mich super gefreut sie wieder zu sehen, und sie sich ebenfalls! Marie, Biju und die zwei Töchter Shnea (14) und Steffi (7) wohnen in einem ganz einfachen, engen, kleinen Haus in einer Kolonie die von dem größten Arbeitgeber der Region gestellt wird, ein Eisenabbaufirma (Berge versetzen)
Nach einer herzlichen Begrüßung, leckerem Essen und einer Menge Gesprächen geht es auch schon los zur Kirche (die zuvor sowohl von außen über und über mit bunten Lichterketten- das scheint hier echt Trend zu sein- als auch von innen mit Ballons, Girlanden und einer wunderschönen Grippe von der Gemeindejugend geschmückt wurde) um auf dem Platz nebenan eine Gemeindeweihnachtsfeier zu halten. Sowohl Steffi als auch Shnea waren bei den Tänze und Chorgesänge beteiligt und hüpften zusammen mit den anderen Tänzern in weißen Engelskleidchen aufgeregt hinter der Bühne. Marie führte durchs Programm, Ehrengäste erschienen und hielten Reden- teils auf English aber größtenteils auf Hindi, es wurde getanzt, wunderschön gesungen und auch ich ’durfte’ auf die Bühne um eine Rede zu halten. Da ca. 80% der Anwesenden aber kein English verstehen wurde diese später noch auf Hindi übersetzt und bekam sogar Lob.

Krippe auf Indisch

meine Weihnachtsengel


Nach dieser kleinen aber sehr schönen Weihnachtsfeier für die Gemeinde ging es wieder nach Hause für kurze Zeit um sich umzuziehen (zur Feier des Tages hatte ich mich noch einmal für meinen roten Sarie entschieden, den man aber unter der Strickjacke gar nicht sehen konnte) und zu essen, um dann pünktlich um 10 wieder in der Kirche zur Weihnachtsmesse zu erscheinen. Die Messe an sich war nicht besonders feierlich, aber ich verstand die Predigt in Hindi ja auch nicht. Besonders schön waren allerdings die Trommler und Sänger die die Lieder mit ihren ursprünglichen Tönen begleiteten. Leider war mir nicht so gut (falsches Essen oder so) und ich konnte die ganze Zeremonie nicht richtig genießen.
Nach der messe wurde sich auf dem Kirchvorplatz herzlich gedrückt, Küsschen links Küsschen rechts und frohe Weihnachten gewünscht. So oft gedrückt und geküsst wie vor dieser indischen Kirche nach der Weihnachtsmesse wurde ich noch nie! Trotz dem lieben Angebot doch bedingt durch meine gesundheitlichen Umstände schon nach Hause zu gehen, wollte ich aber den weitere Verlauf den Abend nicht verpassen, der mir mit wilden Tänzen die ganze Nacht beschrieben worden war- und so kam es auch, zwar anders als gedacht aber total schön!
Als alle fertig gedrückt, umarmt und geküsst waren, Weihnachtsgeschenke an gute Freunde ausgetauscht waren und die Weihnachtskuchen gegessen war, der der Pastor am Eingang verteilte trafen sich die Trommler in der Mitte des Platze und stimmten Trommellieder der Völker hier aus den Wäldern an. Chattisgarh (der Staat in dem ich zurzeit wohne) bestehe auch fast 80% Urwald mit vielen kleinen, zum Teil noch unerforschten Völkern mit eigenen Religion und manchmal sogar eigener Sprache. Um ihre Produkte wie Gemüse oder Waldprodukte zu verkaufen, kommen die Frauen am Sonntag auf die Märkte der näheren Städte. Auch zu Festivals pilgern die ’Tribal people’  nach Jagdlapur. Dabei zeigt jeder Stamm seine eigenen Tänze mit verschiedenen fantasievollen Kostümen, Tanzschritten und eben den genannten Trommler die meist in der Mitte des Kreises auf ihren hölzernen----- Trommeln den Takt angeben.
In diesem Fall waren die Trommler zwei Jugendliche aus der Stadt und sobald diese anfingen, bildeten die anderen Jugendlichen auch schon zwei Halbkreise um sie, indem sie sich an Händen oder Hüften fassten. In verschiedenen Richtungen würde dann mit mal einfachen, mal komplizierteren Schrittfolgen und zum eingehenden Takt der Trommeln getanzt. Auch die Älteren bildeten größere Außenkreise, einer fing an mit einer Schrittfolge and alle anderen stiegen mit ein. Als ich einige Zeit mit Marie und Biju im Außenkreis getanzt hatte und mich schnell an takt und Schritfolgen gewöhnte, wurde ich herzlich bei den Jugendliche empfangen und wir tanzten immer schneller und mit umfangreicheren Schrittfolgen im Kreis. Es ist ein Riesenspaß sich zu diesem ursprünglichen Trommelrhythmus in einer Gruppe, Hand in Hand zu bewegen. Die Schritte werden nach kurzer Zeit eingängig und wenn’s einem langweilig wird, fängt man einfach mit einer neuen Schrittfolge an und die anderen steigen nach kurzer Zeit ein.
Nass geschwitzt gab es in der Pfarrküche Wasser, Tee und noch mehr Weihnachtskuchen und um 3 in der Frühe ging es wieder den kurzen weg zurück zum Haus, wo ich dann doch noch eine deutsche Tradition aufleben ließ und meine mitgebrachten Weihnachtsgeschenke unter die kleine, vollgehängte Plastiktanne legte.



mein erstes Weihnachten mit traditionellen Tänzen
-man könnte sich dran gewöhnen;)

Weihnachtskuchen


Das war also meine Weihnachtsgeschichte 2013 in Indien, mit guten Freunden, der wärme einer Familie, traditionell- untraditionell, aber auf jeden Fall ein unvergessliches Erlebnis in meinem Auslandsjahr hier in Indien.

Namastem bis bald und mein Neujahrmotto für euch, was ich bei einer ebenfalls überraschend schönen Silvesterfeier als Tatoo auf den Fußknöcheln eines Freundes gefundne habe:

Keep walking, keep questioning